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Freitag, 14. September 2012

Unglaublich: Horst Parfajans Sieger-Rad





















Ein Stück Sport-Memorabilia, eine Parfajan-Devotionalie und auch ein Stückchen Zeitgeist der sehr frühen 80er Jahre.

Eine Ode an Horst, aus Alan-Aluminium. Der Name ist Programm.

Vom McEnroe der Donau höchstselbst nicht nur gefahren, sondern entworfen, berechnet, spezifiziert. Ein Talent auch mit dem Bleistift, ein untrügliches Auge. Die Sattelrohrmuffe soll der Form von Horsts Herzen nachempfunden sein.
Selbst in seinem Radl spiegelt sich der "Burgenländer Widerspruch": es ist das Trainingsgefährt, das ihn, den trotzigen und angeblich so trainingsfaulen Star ("I hoab s'Talent"), mit zu seinen Siegen trug. Und es zeigt in seiner Vollendung, wie akribisch Horst allen Unkenrufen zum Trotz in seiner Vorbereitung war.

Seit Horst Parfajans mysteriösem Verschwinden vor 17 Jahren stand das Rad zunächst in Horsts Scheune und ging dann in Besitz der Horst-Parfajan-Stiftung über, die sein verbleibendes Vermögen verwaltet.

Zur Erinnerung hier das letzte bekannte Foto, das Horst Parfajan zeigen soll, kurz bevor sich alle Spuren verlieren:











Im Auftrag der Horst Parfajan-Stiftung hat Zugzwang die Ehre, dieses anhand von Horsts wiederentdeckter Originalskizzen restaurierte Stück der Öffentlichkeit zu präsentieren und gar zum Verkauf anzubieten.

Der Verkaufserlös wird es der Stiftung ermöglichen, die Recherchen zu Horst Parfajans Verbleib wiederaufzunehmen. Vielleicht bewahrheitet sich ja das durchaus optimistische Gerücht, er lebe in Nicaragua auf einer abgeschiedenen Hacienda und züchte Schmetterlinge. Wir würden es ihm alle wünschen.

Noch einige weniger relevante technische Details seien der Vollständigkeit halber aufgeführt:
Einer der allerersten Alurahmen von ALAN aus Italien, ursprünglich vom damaligen Velobauer Horsts' Vertrauen, nämlich Jakob Sieger in Winterthur, aufgebaut. Sattelstütze und Steuersatz von Campagnolo, Wechsler/Umwerfer sowie Bremsgriffe Shimano 600. Weinmann-Bremsen. Vorn dreifach. Sattel, Bremszüge, Bremsklötze, Felgenbänder, Schläuche, Reifen, Lenkerband neu. Drahtreifen, keine Collés.

Rahmenhöhe gemäss Herstellerangabe 55x55, deutsch entspricht das etwa einem 56cm-Rahmen. Für Parfajan-Fans so zwischen 170 und 179cm.

Verkauft nach Winterthur.

Freitag, 6. April 2012

Frühlingsgefühle: Ladies' Skirt Racer "Hibiskuswolke"





Letzten Sommer unternehmen zuweilen junge Städterinnen in engen, knöchellangen Röcken und Flip-Flops Probefahrten vor den Toren Zugzwangs. Auf alten Rennrädern mit hohen Oberrohren und Klickpedalen - kleinen, unebenen Rennpedalen für den leistungssportlichen Spezialgebrauch.

Bei Zugzwang erkannte man Optimierungspotenzial. Man machte sich an die Arbeit.

Das Projekt erhielt rasch den Arbeitstitel "Skirt Racer".

Ein Zeitplan wurde erstellt, das R&D Department aufgestockt ("unlimited funds, cost no obstable" etc. etc.), interdisziplinäre Forschungsgruppen eingesetzt. International wurden führende Spitzenleute der Fachgebiete Design, Ergonomie, Materialwissenschaft/Metallurgie, Mechanik, Aerodynamik, Oberflächenbehandlung, Städtebau, Kulturgeschichte und Anatomie zusammengezogen.

Ein beispielloses Forschungszentrum nahm seine Tätigkeit auf, um eine kühne Vision zu verwirklichen.

Brainstormings überschlugen sich, tiefsinnige Meetings wurden abgehalten, Designstudien wurden entworfen, präsentiert, verworfen, geändert, wiederaufgenommen, geprüft, bezweifelt, bejubelt, hinterfragt, modifiziert, adaptiert, patentiert. Umfragen wurden durchgeführt, Probandinnen eingeladen, Blindtests veranstaltet.  Vergessene Werkstätten in Italien, Frankreich, England und Japan wurden bereist, greise Lötmeister interviewt. Testfahrten erfolgten unter strengster Geheimhaltung auf Teststrecken, die in keiner Landkarte verzeichnet sind. Stillgelegte Space Shuttles wurden geplündert, um an offiziell nicht existierende Weltraum-Werkstoffe zu gelangen.

Doch die langen Arbeitsstunden, die Komplexität des Projekts und immensen Anstrengungen, alle Ziele unter einen Sattel zu bringen, zollten ihren Tribut. Intern kam es zu Spannungen. Es war nicht mehr abzustreiten, dass zwischen den hochkarätigen Fachleuten unterschwellig ein Tauziehen um die Federführung beim Projekt Skirt Racer entbrannt war. Die Oberflächenwissenschaftler verwahrten sich strikte gegen das innenliegende Bremskabel der Aerodynamiker. Städteplaner provozierten die Designabteilung genüsslich mit lautstarken Forderungen nach Plattformpedalen.  Zwischen Historikern und Ergonomen kam es vorübergehend zu einer unschönen Prügelei in der Werkskantine, ausgelöst von einer Kontroverse um die richtige Lenkerform. Kurzum: die Nerven lagen blank.

Hastig herbeigerufene Arbeitspsychologen kamen scharfsinnig zum Schluss, dass die Situation "verfahren" sei. Nur "frischer Wind", so die weitere Analyse, würde das Problem "nachhaltig" lösen können. Hinter vorgehaltener Hand sprach man etwas markiger von "frischem Blut". Nur ein unverbrauchter, unbefangener Outsider, ein neues Gesicht, dem alle Experten ohne Vorurteile begegnen könnten, würde die Lage entspannen können, besagte der neue Ansatz.

Scouts zückten erregt ihre Telefone, Flugtickets nach Übersee wurden gebucht. Bald legten die Talentsucher erste Vorschläge auf den Tisch. Ein intensiver Evaluationsprozess nahm seinen drängenden Lauf. Um niemanden vor den Kopf zu stossen, galt es, die bereits besetzten Fachgebiete weiträumig zu umschiffen. Immer kuriosere Namen machten die Runde.

Die Wahl fiel schliesslich, der Zielsetzung entsprechend, auf ein weitgehend unbeschriebenes Blatt, das "dark horse" unter der Vielzahl der Kandidaten, einen rohen, noch ungeschliffenen Diamanten - die junge koreanischen Künstlerin H.

H. war am Anfang ihrer Karriere, sicherlich, aber die Scouts bescheinigten ihr unisono grosses Talent, ebensolche Hingabe, und überhaupt eine rosige Zukunft. Und Organisationstalent. Denn ganz allein vermochte sie ihre gigantischen Skulpturen und überdimensionalen Leinwände nicht zu bearbeiten. Ihr Heer ergebener Helfer dirigierte sie wie ein kleiner Karajan. Ideale Voraussetzungen also.

H.s anfängliche Skepsis, herrührend von einer wie sie fand bescheidenen physischen Grösse des zu gestaltenden Objekts, wich alsbald einem grossen Enthusiasmus für das Neuland, das zu betreten sie sich anschickte.

Kaum waren ein paar Sprachbarrieren dürftig überwunden, frass ihr die einstmals so zerstrittene Forschergemeinde aus der Hand. Flugs waren die besten Ideen kombiniert.

Resultat war ein perlweisser Prototyp, eindeutig mehr als die Summe seiner Einzelteile. Gegenseitiges Schulterklopfen allenthalben. Veuve Clicquot in Strömen, selbst Ergonomen und Historiker lagen sich in den Armen. Der Anbeginn einer neuen Ära!

Am Morgen drauf: Brummende Schädel, aber niemand machte sich was draus. Der Sportmediziner A.R. - aus naheliegenden Gründen der massvollste Trinker des vorangegangen Abends - öffnete am späten Vormittag als erster die Tore zu den weitläufigen zugzwangschen Produktionshallen und trat knirrschend auf ein paar Champus-Scherben. "Müssen wir wegmachen, bevor der Prototyp Schaden nimmt" dachte er mehr in warmer Verbundenheit mit den Objekt seiner Sorge als eigentlich besorgt. Er liess seinen Blick schweifen zu ebenjenem Objekt. Vielmehr: zum Ort, an dem der Prototyp gestern gestanden war, im Zentrum der Festgesellschaft. Aber da war nichts. Nun, jemand wird ihn in weiser Voraussicht in den Tresor geschlossen haben. Doch auch da wie auf dem übrigen Firmengelände - Fehlanzeige.  Keine Zeichen eines Einbruchs… an inside job! Geistesgegenwärtig griff A.R. zum Telefon, um die Nervenzentrale der Forschungsabteilung zu verständigen, den Rohdiamanten H. Keine Antwort. Seltsam. Nun konnte sich A.R. plötzlich auch nicht erinnern, H. an der gestrigen Feier gesehen zu haben. War es möglich? An OUTSIDER'S INSIDE JOB?

Interpol wurde alarmiert. Von H. keine Spur. Bange Tage unheilvollen Wartens. Dann die erlösende Nachricht! An der Biennale Istanbul…. eine Installation, vielmehr ein Mobile oder eine mobile Installation war gesichtet worden, die Umrisse schienen vertraut. Ausstellungskatalog dazu: "H., 'Hibiskuswolke', 2011. Stahl, Gummi, Butyl, Kunstleder, Lacke. Fahrbar." 

"Hibiskuswolke" war im Gegensatz zum dreist entwendeten, perlweissen Prototypen offensichtlich von der Künstlerin höchstselbst handbemalt in der ihr eigenen, unnachahmlichen Weise. Handbemalt oder nicht, jedenfalls aber tat die Polizei (sobald die Biennale nach wenigen Wochen ihre Tore schloss) ihre hehre Pflicht, beschlagnahmte das corpus delicti und repatriierte es wohlbehalten.

Endlich kann das Resultat zahlreicher Entbehrungen und monatelanger Entwicklung doch dem heimischen Publikum vorgestellt werden, Zugzwangs erster Skirt Racer:












Nachgetragen sei H.s kokette Auskunft zum weitherum diskutierten Vorfall. Unter lächelndem Hinweis auf eine durchaus unscheinbare Plakette an der weissgetünchten Museumswand ("Freundliche Leihgabe von zugzwang.ch") gab sie zu verstehen, es habe sich um eine ebenso selbstlose wie unschuldige PR-Aktion zugunsten ihres Auftraggebers gehandelt. Etwas traurig, so fügte sie leise bei, sei sie allerdings darüber, ihre ursprüngliche Absicht nicht in die Tat umgesetzt zu haben: Den Bosporus mit Hibiskuswolke auf einem brennenden Seil zu überqueren.





Zugzwang CSR 1, a.k.a. Hibiskuswolke. Unikat ist eine Untertreibung. Der erste seiner Art.

Komplett neu aufgebaut. Rennrahmen aus italienischen Columbus-Rohren, handbemalt von H. und überlackiert, neuer Radsatz, d.h. neue Naben, Felgen, Speichen, Felgenbänder, Schläuche, Pneus, Kassette, Schnellspanner. Neu auch Kette, Sattel, Vorbau, Griffe, Bremshebel, Pedale, Brems- und Schaltzüge. Grösse 55-56 und kurzer Lenkervorbau, für Kunstliebhaberinnen ab 1.68.


Das Schmuckstück ist verkauft.

Dienstag, 6. März 2012

Dana Dancellis "Blue Spring" - Anglo-Italienischer Superflitzer


D für Dana.


Wir schreiben das Jahr 1988.

Drei Ereignisse und ein Gerücht prägen das Leben der Menschen:

Jimmy Page gibt mit seinem Album "Outrider" das lang ersehnte Comeback.

Miloslav "Die Katze" Mecir greift zum Holzschläger, besiegt im Viertelfinale von Wimbledon Mats Wilander und nimmt dem redseligen Schweden damit die Chance zum Grand Slam.

Im Blue Spring, Florida, erblickt Manatee Dana die blauen Fluten der Welt.

Der eiserne Vorhang wankt:
Nicht nur jener zwischen Ost und West, auch jener zwischen Nord und Süd: Hartnäckig halten sich Gerüchte, wonach einer der Grossen und Arrivierten in Italien, dem Land der Taube, mit englischen Reynolds-Stahlrohren herumexperimentiert. Welch Vorstellung! Die Szene ist in Aufruhr. Cino Cinelli, Ugo de Rosa und Ernesto Colnago überschlagen sich mit patriotischen Dementi.

Jeder verdächtigt den andern, Räuberpistolen werden in engen Gassen kolportiert. Der inzwischen Bridge spielende Blondie Hasler, so eine Variante, sei reaktiviert worden und habe die Rohre in seinem Kanu im Schutze der Dunkelheit über den Seeweg eingeschmuggelt. Für den Fall, dass er entdeckt würde, sei die stählerne Fracht als Orgelpfeifen für die Dorfkirche in San C. getarnt gewesen.

Was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnt: Es ist Michele Dancelli, der diesen teuflischen Plan erdacht hat. Und er ist bereits im Besitze eines kompletten 531-Satzes. Während seine Getreuen in den vorderen Räumen der Manufaktur fröhlich "Cromor", "SLX" und "Nemo"-Kleber auf die Rahmen klatschen, widmet sich Michele mutterseelenallein seiner dunklen Alchemie, der verbotenen Frucht, dem, was niemand wissen darf.

Michele und der Reynolds-Stahl ringen miteinander, formen einander. Der alte Rennfahrer ertappt sich dabei, in Augenblicken der Erschöpfung nach einer Tasse Earl Grey zu dürsten. Schliesslich ist es getan, die mit zittriger Hand gehaltene Flamme lässt vom Rahmen ab.  Bloody perfect. Nur ein ganz besonderer Farbton, der Speziallack in kleinster Menge eigens gemischt und nie mehr zu reproduzieren, wird diesem Werk gerecht, Michele setzt sich die Maske auf: "Blue Spring".


Michele ist überwältigt, er hat sich selbst übertroffen. Er möchte die Erde umarmen, seinen Triumph aus den Tiefen seines Herzens hinausbrüllen, der Welt zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt bzw. Stahl sein Rad gelötet ist.

Doch er hält inne. Zweifel ziehen auf wie Nebelschwaden, die den Herbst ankündigen. Vom Ergebnis seines Schaffens ist er felsenfest überzeugt. Aber werden es seine Zeitgenossen verstehen, seine Landsleute? Werden sie bereit sein, diesen Schritt mit ihm zu gehen? Werden sie ihn ächten und zwingen zu widerrufen, wie einst Galilei? Michele wird grau, wie er es auf dem Giro niemals gewesen war. Die Gerüchte, die er monatelang mit einem schweigenden Grinsen quittiert hatte, wiegen plötzlich unendlich schwer auf seiner Seele.

"Blue Spring" bleibt im verbotenen Labor.



Michele, Schweissperlen auf der Stirn, quält sich. Überall wittert er nun Verrat, immer und immer wieder sieht er sich verstohlen um auf dem Markt, beim Boccia-Spiel unter Freunden, während der Calcio-Übertragung in der Bar. Selbst unter den Mechanikern, an deren Overalls stolz "Cicli Dancelli" prangt, fürchtet er sich vor anklagenden Blicken. Kurz vor dem Zusammenbruch hat Michele ein Einsehen.  "Blue Spring" wird nach seiner nächtlichen Jungfernfahrt (Neumond) eingemottet auf dem Dachstock des Landsitzes Dancelli. Zutritt verboten, "morsches Gebälk".

Ostentativ tätigt Michele tags darauf Grossbestellungen bei Dedacciai und Columbus. Der Spuk ist vorbei.

Was aber ist aus Blue Spring geworden?



Dem unangekündigten Besuch eines Denkmalpflegers auf dem Landsitz der Dancelli - der Herr das Hauses war grad nicht zugegen - ist die Wiederentdeckung zu verdanken. Das Gebälk war zwar inzwischen wirklich morsch (deshalb der Besuch und auch der verstauchte Knöchel), Blue Spring aber hatte die Zeit gänzlich unbeschadet überstanden.


Der erwartete landesweite Aufschrei blieb sehr zum Erstaunen des spät über den Fund  orientierten Hausherrn aus, obwohl erst 24 Jahre vergangen waren.

Inzwischen altersmilde, stimmte Michele dem Verkauf seines Herzstücks zu um die dringend benötigte Instandsetzung seines Landsitzes zu finanzieren. Allerdings unter der Bedingung, dass 50$ des Erlöses an die Adoption von Manatee Dana im Blue Spring gehen.

So soll es sein!









Wunderbares Unikat mit Dancelli-Rahmen. Gerader Kompaktlenker.
Rahmengrösse 51 italienisch bzw. 52 deutsch gemessen, Oberrohr 53 Mitte-Mitte. Für Zeitgenossen zwischen 160 und 170. In Italien gelöteter Rahmen, wie gesagt aus Reynolds 531-Rohren.

Verkauft und in Basel zu bewundern.


Samstag, 28. Januar 2012

Die Ballade von Gino F.


Gino F. stammt aus Vicenza.
Gino F. ist ein netter Herr in seinen späten Sechzigern.
Gino F. hat ein altes Rennrad zu verkaufen.

"È tutto Campagnolo." Das hatte seine Frau Gemahlin bereits am Telefon erwähnt (man hörte ihn beratend im Hintergrund).

Die Vespa aus dem Weg geschafft holen wir das Rennvelo mit gemeinsamen Kräften in der engen Garage von den Haken hoch an der Wand. Ein bisschen polvere der letzten quindici anni.



Gino F.s staubiges Rad steht vor uns. "Sono ricordi." Und nicht nur das: "È tutto Campagnolo."






Ein echtes, ultra-rares Bettega, mit der stets gern gesehenen Columbus-Taube, aus Vicenza. Natürlich aus Vicenza.

Vicenza? Da war doch was. Nicht nur die Bar, in der ich zum einzigen und letzten Mal Zeuge wurde, wie ein grosser Sack "Caffè Silver" in die Espressomaschine gefüllt wurde (wer etwas über den Verbleib  von Caffè Silver weiss, möge sich bitte melden - wer gar frischen Silver besorgen kann, dem sei ein Zugzwang-Rennvelo geschenkt). Nein, da war doch noch etwas anderes. Und wohl deshalb ist es Gino F. klar, ja ovvio, wie es ist, sein muss: "È tutto Campagnolo". Indoktrination.

Wer bin ich, Gino F. zu widersprechen? Aber dieser schnörkellose, sachlich-utilitaristische Wechsler mit dem L-förmigen Knick, ich sehe ihn nicht zum ersten Mal. Auch nicht den stürmischen Raubvogel auf der Kurbel. Also taste ich mich doch verbal heran.
Mein vorsichtiger Hinweis auf gewisse illustre, am Rad abzulesende Namen wie Ofmega, Universal und gar Shimano wird indes gekonnt gekontert: "È tutto Campagnolo." Gino F. fährt in der Manier eines Antiquitätenhändlers mit seinen Fingern über die Beschriftungen. Seine Lesebrille hat er nicht dabei für unsere abendliche Recherche unter der Neonröhre.

 Schreiten wir dennoch zur Inventur:

"È tutto Campagnolo."

"È tutto Campagnolo."

"È tutto Campagnolo."

"È tutto Campagnolo."

"È tutto Campagnolo."

"È tutto Campagnolo."

"È tutto Campagnolo."

"È tutto Campagnolo."

Man könnte von erdrückender Beweislast sprechen. Schliesslich jedenfalls, immer noch ohne Lesebrille, wird Gino F. doch etwas unsicher - "Forse era la bici che avevo prima." Nichtsdestotrotz, sono ricordi und er habe das Rad gehegt und gepflegt come mia figlia.

Gino F. hebt das Rad am Lenker ein paar Zentimeter hoch, lässt das Vorderrad mit der andern Hand laufen und sieht mich triumphierend an: "È perfetta."

Wo er recht hat, hat er recht. Das Rad hört nimmer auf, sich zu drehen. Wie ist das möglich? Ein Perpetuum Mobile, made in Vicenza? Ich erwarte bereits eine fast religiös verklärte Erklärung, etwa das Rad sei von seinem ursprünglichen Besitzer Roberto Baggio (deshalb die "B"-Gravur im Vorbau), Il Divin' Codino, beseelt, der sich jeweils nach seinen Knieverletzungen auf diesem Bettega im heimatlichen Vicenza wieder fit gemacht habe für seine schnellen Antritte.

Aber die Antwort liegt näher:


Campagnolo! Also doch. Dort, wo es drauf an kommt, werden wir fündig: bei den Naben. Wenn Campagnolo etwas konnte damals, dann Naben bauen.

Nun plötzlich auch die Schnellspanner: Campa!

Umwerfer: Campy!


Schalthebel: Campag!

Gino F. ist erleichtert. Sein Gesicht bekommt wieder seine ursprüngliche Röte zurück. Er hatte es ja gewusst. È tutto Campagnolo. Entspannt erzählt er nun von Touren in der Innerschweiz mit seinen amici. Die Welt ist in Ordnung.

Und diese Trouvaille aus Arzignano, Vicenza, Roberto Baggios Bettega, ist auch schwer in Ordnung: 






Columbus-Rahmen, neue Kette, neues Band, Campa-Naben, viel Storia Italiana, wohl schweizweites Unikat und keine Collés. Was will man mehr?

Rahmenhöhe 54.5 italienisch bzw. 55.5 deutsch messen. Oberrohr 54cm Mitte-Mitte. Ideal natürlich für Roberto Baggios Körpergrösse (1.74) plus/minus 5cm.

Verkauft.