Dienstag, 6. März 2012

Dana Dancellis "Blue Spring" - Anglo-Italienischer Superflitzer


D für Dana.


Wir schreiben das Jahr 1988.

Drei Ereignisse und ein Gerücht prägen das Leben der Menschen:

Jimmy Page gibt mit seinem Album "Outrider" das lang ersehnte Comeback.

Miloslav "Die Katze" Mecir greift zum Holzschläger, besiegt im Viertelfinale von Wimbledon Mats Wilander und nimmt dem redseligen Schweden damit die Chance zum Grand Slam.

Im Blue Spring, Florida, erblickt Manatee Dana die blauen Fluten der Welt.

Der eiserne Vorhang wankt:
Nicht nur jener zwischen Ost und West, auch jener zwischen Nord und Süd: Hartnäckig halten sich Gerüchte, wonach einer der Grossen und Arrivierten in Italien, dem Land der Taube, mit englischen Reynolds-Stahlrohren herumexperimentiert. Welch Vorstellung! Die Szene ist in Aufruhr. Cino Cinelli, Ugo de Rosa und Ernesto Colnago überschlagen sich mit patriotischen Dementi.

Jeder verdächtigt den andern, Räuberpistolen werden in engen Gassen kolportiert. Der inzwischen Bridge spielende Blondie Hasler, so eine Variante, sei reaktiviert worden und habe die Rohre in seinem Kanu im Schutze der Dunkelheit über den Seeweg eingeschmuggelt. Für den Fall, dass er entdeckt würde, sei die stählerne Fracht als Orgelpfeifen für die Dorfkirche in San C. getarnt gewesen.

Was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnt: Es ist Michele Dancelli, der diesen teuflischen Plan erdacht hat. Und er ist bereits im Besitze eines kompletten 531-Satzes. Während seine Getreuen in den vorderen Räumen der Manufaktur fröhlich "Cromor", "SLX" und "Nemo"-Kleber auf die Rahmen klatschen, widmet sich Michele mutterseelenallein seiner dunklen Alchemie, der verbotenen Frucht, dem, was niemand wissen darf.

Michele und der Reynolds-Stahl ringen miteinander, formen einander. Der alte Rennfahrer ertappt sich dabei, in Augenblicken der Erschöpfung nach einer Tasse Earl Grey zu dürsten. Schliesslich ist es getan, die mit zittriger Hand gehaltene Flamme lässt vom Rahmen ab.  Bloody perfect. Nur ein ganz besonderer Farbton, der Speziallack in kleinster Menge eigens gemischt und nie mehr zu reproduzieren, wird diesem Werk gerecht, Michele setzt sich die Maske auf: "Blue Spring".


Michele ist überwältigt, er hat sich selbst übertroffen. Er möchte die Erde umarmen, seinen Triumph aus den Tiefen seines Herzens hinausbrüllen, der Welt zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt bzw. Stahl sein Rad gelötet ist.

Doch er hält inne. Zweifel ziehen auf wie Nebelschwaden, die den Herbst ankündigen. Vom Ergebnis seines Schaffens ist er felsenfest überzeugt. Aber werden es seine Zeitgenossen verstehen, seine Landsleute? Werden sie bereit sein, diesen Schritt mit ihm zu gehen? Werden sie ihn ächten und zwingen zu widerrufen, wie einst Galilei? Michele wird grau, wie er es auf dem Giro niemals gewesen war. Die Gerüchte, die er monatelang mit einem schweigenden Grinsen quittiert hatte, wiegen plötzlich unendlich schwer auf seiner Seele.

"Blue Spring" bleibt im verbotenen Labor.



Michele, Schweissperlen auf der Stirn, quält sich. Überall wittert er nun Verrat, immer und immer wieder sieht er sich verstohlen um auf dem Markt, beim Boccia-Spiel unter Freunden, während der Calcio-Übertragung in der Bar. Selbst unter den Mechanikern, an deren Overalls stolz "Cicli Dancelli" prangt, fürchtet er sich vor anklagenden Blicken. Kurz vor dem Zusammenbruch hat Michele ein Einsehen.  "Blue Spring" wird nach seiner nächtlichen Jungfernfahrt (Neumond) eingemottet auf dem Dachstock des Landsitzes Dancelli. Zutritt verboten, "morsches Gebälk".

Ostentativ tätigt Michele tags darauf Grossbestellungen bei Dedacciai und Columbus. Der Spuk ist vorbei.

Was aber ist aus Blue Spring geworden?



Dem unangekündigten Besuch eines Denkmalpflegers auf dem Landsitz der Dancelli - der Herr das Hauses war grad nicht zugegen - ist die Wiederentdeckung zu verdanken. Das Gebälk war zwar inzwischen wirklich morsch (deshalb der Besuch und auch der verstauchte Knöchel), Blue Spring aber hatte die Zeit gänzlich unbeschadet überstanden.


Der erwartete landesweite Aufschrei blieb sehr zum Erstaunen des spät über den Fund  orientierten Hausherrn aus, obwohl erst 24 Jahre vergangen waren.

Inzwischen altersmilde, stimmte Michele dem Verkauf seines Herzstücks zu um die dringend benötigte Instandsetzung seines Landsitzes zu finanzieren. Allerdings unter der Bedingung, dass 50$ des Erlöses an die Adoption von Manatee Dana im Blue Spring gehen.

So soll es sein!









Wunderbares Unikat mit Dancelli-Rahmen. Gerader Kompaktlenker.
Rahmengrösse 51 italienisch bzw. 52 deutsch gemessen, Oberrohr 53 Mitte-Mitte. Für Zeitgenossen zwischen 160 und 170. In Italien gelöteter Rahmen, wie gesagt aus Reynolds 531-Rohren.

Verkauft und in Basel zu bewundern.